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LANDSCHAFT ALS ARCHIV

„Was ein Archiv ausmacht, kann auch für die physische Landschaft geltend gemacht werden. Denn Geschichte erschließt sich nicht nur aus klassischen Archivalien und Dokumenten, sondern ist auch in der Form und Materialität von Landschaften, Städten und Dingen zu lesen.“

 

– A. Bucher

 

Leitidee

Das Projekt versteht die historische Kulturlandschaft zwischen der Stadt Jüchen und dem bedeutsamen Wasserschloss ‚Dyck‘ als ein lebendiges Archiv, eine Akkumulation materieller und immaterieller Vergangenheiten, die die Essenz vergangener Zeiten und die Wechselwirkungen zwischen Mensch, Umwelt & Natur beherbergt.

Als ein erzählendes Band durchzieht der „Grüne Korridor“ diese Archivlandschaft und lädt dazu ein, die vielschichtige Beziehung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu erkunden. Entlang der Radwege und in der Landschaft entstehen verschiedene „Archivräume“, die die dynamische Verbindung von Mensch, Umwelt und Klima verdeutlichen. Als strategische Testfelder für eine klimaangepasste Entwicklung der Landschaft, schaffen diese eine Brücke zwischen den Jahrhunderten, indem sie sowohl ökologische Maßnahmen wie Renaturierung als auch umweltpädagogische Lehrpfade nutzen, um die Geschichte der Landschaft zu vermitteln.

 

Historie

Die Geschichte dieser Region ist reichhaltig: Burgen, Herrenhäuser und historische Hofanlagen prägen bis heute so manchen Ort. Von den frühen Bandkeramikern, den Römern, den Herzögen von Jülich, den Grafen von Salm-Reifferscheidt bis hin zu der RWE Power – jede Ära hat ihre Spuren hinterlassen. Die Bachtäler des Jüchener Bachs (einst Dieckbach) und des Kelzenberger Bachs wurden dabei in der Vergangenheit mehrfach umgestaltet und von ihrer natürlichen Beschaffenheit entfremdet. Entwässerungsmaßnahmen in den ursprünglich von Feuchtwiesen und sumpfigen Biotopen gesäumten Auen, ermöglichten intensiven Ackerbau, wobei jeder Quadratmeter bis an die Ufer genutzt wurde. Besonders im letzten Jahrhundert erlebten diese Bäche eine starke Veränderung, wobei ihre Quellen, Verläufe und Pegelstände sich infolge des Braunkohletagebaus, des Ackerbaus und der Ausweitung der Verkehrsinfrastruktur mehrfach veränderten. Doch gerade durch diese Veränderungen wird die Landschaft zu einem faszinierenden Zeugnis des Landschaftswandels.

 

Landschaftsgestaltung

Die Veränderungen in der Landschaft und ihre ökologischen Auswirkungen sind jedoch nicht bloß historische Relikte; sie formen auch das Fundament einer nachhaltigen Zukunft, geprägt vom Klimawandel. Mittels innovativer ökologischer Strategien wie der naturnahen Gestaltung von Gewässern und Auen sowie der Erprobung widerstandsfähiger Baumarten und Umweltbildungspfade wird die Landschaft aktiv als lebendiges Archiv zwischen Natur und Kultur gestaltet. Dabei verschmelzen Geschichte und Natur zu einem faszinierenden Mosaik, das Raum für vielfältige Entwicklung und Erholung bietet. Die verstreuten Testfelder in der Landschaft liefern zudem bedeutende Erkenntnisse für eine zukunftsfähige Landschaftsgestaltung, die auch auf andere Regionen übertragbar sind. Der Erfolg dieser Experimente beruht dabei auf einer sorgfältigen, ortsabhängigen Planung der Testfelder und dem Faktor Zeit, da die positiven Auswirkungen, beispielsweise einer Renaturierung, oft erst nach Jahren sichtbar werden.

 

Wegenetz

Um den Radtourismus und die Naherholung zu fördern, werden zusätzliche Verbindungen geschaffen und bestehende Wirtschaftswege optimiert, um Lücken im Radnetz zu schließen. Dabei werden die neuen Strecken, sofern nicht anders erforderlich, mit wassergebundener Bauweise angelegt, um den Boden nicht zu versiegeln. Das Radwegenetz erstreckt sich als grün-blauer Korridor von der Tagebaukante bis zum Tourismus-Magnet Schloss Dyck.
Entlang dieser Route werden die neuen Radwegeabschnitte sowohl von blühenden Wegeraine und Feldrandsäumen als auch von Baumreihen (einseitig/Alleen) flankiert. Diese Gestaltungselemente sind nicht nur ästhetisch ansprechend und spenden angenehmen Schatten, sondern fungieren auch als lebendige Ökosysteme mit vielfältigem Nutzen, so sind sie auch ein natürlicher Erosionsschutz, was zur Erhaltung des Wegenetzes beiträgt. Die landschaftlichen und hydrologischen Testfelder bilden Stationen entlang des Wegenetzes, bieten Rastmöglichkeiten und geben Auskunft über die Maßnahmen.

Klimaschutz & Klimaanpassung

Im Streben nach einer zukunftsfähigen Landschaftsgestaltung werden in der Region Jüchen klimaresiliente Baumarten wie die Flaumeiche, Bergahorn, Wildbirne, Mehlbeere, Hopfenbuche, Blumenesche und amerikanische Esche eingesetzt und auf ihre Eignung getestet. Diese Erprobung findet primär auf speziell ausgewiesenen Testfeldern statt, während sie gleichzeitig als lineare Landschaftselemente entlang von Feldern und Wegen integriert werden. Darüber hinaus werden einzelne Feldbäume und Baumgruppen in die Landschaft eingefügt, um ein großzügiges Biotopverbundnetz inmitten der agrarisch geprägten Umgebung zu schaffen. Diese dienen als wichtige Trittsteinbiotope und bieten Lebensraum für verschiedene Vogelarten, darunter die Schleiereule. In den hydrologischen Testfeldern liegt der Fokus auf der Renaturierung von Gewässern und Auen. Dadurch entstehen nicht nur Lebensräume für Amphibien und Insekten, sondern auch Maßnahmen zur Abschwächung von zunehmenden Starkregenereignissen und zusätzlicher Hochwasserschutz werden umgesetzt.

 

Leitsystem

Das Radwegenetz wird durch schlichte Wegweiser gekennzeichnet, die durch ihre einheitliche Farbgebung und geradliniges Design leicht erkennbar sind. Ergänzt werden sie durch wiederkehrende Gestaltungselemente wie Habitat-Sitzbänke, Informationstafeln und definierte Aussichtspunkte, die teilweise als Informationszentren in der Landschaft fungieren. Ein erzählendes Archivband aus fragmentarischen Bodenintarsien ergänzt dieses Leitsystem und gewährt Einblicke in vergangene Zeiten sowie in die enge Verbindung zwischen Mensch und Umwelt.

Fakten

Funktion: Grüner Korridor
Auslober: Stadt Jüchen
Art: Wettbewerb, Anerkennung
Jahr: 2024
Mitarbeit: Clemens Aniser, Simone Klager, Katharina Pfeifer, Petra Nagy, Linda Scharll

Lageplan

Visualisierungen